Weltklasse im Ländle - die Top drei der Hallenmeetings
Der WLV führte 1953 als erster Landesverband in Deutschland Hallenmeisterschaften durch, denen viele Experten keine Zukunft einräumten, die sich aber bald weltweit durchsetzten. Damit einher ging der Bau geeigneter Hallen. Die Halle in Tailfingen, Austragungsort der ersten WLV-Hallentitelkämpfe, verfügte über eine Rundbahn von 91 Meter Länge, was schon bei 1.000 Meter-Läufen zu Überrundungen führte. Später fanden dann Veranstaltungen auf dem Killesberg in Stuttgart in der Messehalle 6 auf einem Betonboden statt. Gehirnerschütterungen nach Stürzen waren keine Seltenheit. Vermutlich deshalb wurde die Bahn in der Halle 6 später durch eine Holzbahn mit leichter Überhöhung ersetzt. Diese wurde jedesmal auf- und abgebaut und unter der ehemaligen "ländlichen Gaststätte" im Höhenpark Killesberg eingelagert. Eine weitere Entwicklung nahmen die Hallenmeetings in Württemberg mit dem Bau des Glaspalasts in Sindelfingen und der Hanns-Martin-Schleyer-Halle in Stuttgart.
Ewald Walker berichtet aus der Geschichte der über lange Jahre erfolgreichen Hallenmeetings in Stuttgart, Sindelfingen und Balingen. Er war bei allen Veranstaltungen als Berichterstatter für zahlreiche Medien tätig, erlebte viele der dort erzielten Weltrekorde mit und moderierte als Hallensprecher 14 Mal den Sparkassen-Cup in Stuttgart.
25 Jahre Sparkassencup: Weltstars, Weltrekorde, WM-Stimmung
„Oh ja, ich erinnere mich noch sehr gut an dieses Hallenmeeting in Stuttgart, den Sparkassencup, die WM 1993, das sind schon besondere Erinnerungen“, so reagierte Carl Lewis, neunfacher Olympiasieger aus den USA, als wir uns anlässlich der WM 2019 in Doha auf dem 300 Meter hohen Torch-Tower wieder begegnet sind.
Ja, Stuttgart war weltweit als Stadt der Leichtathletik wahrgenommen worden. Die EM 1986 im Neckarstadion und 1993 im umbenannten Daimler-Stadion bei der WM 1993. Aber auch das Hallenmeeting, der Sparkassencup in der Stuttgarter Schleyerhalle hat Maßstäbe gesetzt. 25 Jahre begeisterte die Veranstaltung Athleten, Zuschauer und auch den Medien war der S-Cup ein dankbarer Anlass, lieferte er doch Weltstars auf dem Tablett, Weltklasseleistungen am Fließband und war für die regionale und nationale Leichtathletik ein Magnet.
Sieben Mal erhielt die Veranstaltung vom Internationalen Leichtathletik-Verband das Prädikat „weltbestes Meeting“. „Wir sind sehr stolz auf dieses Meeting“, sagte Andreas Kroll vom Veranstalter „In Stuttgart“ 2011 vor der letzten Auflage des Sparkassencups. Allein zehn Weltrekorde wurden seit 1987 in der Schleyerhalle erzielt (s. Anhang), die Liste der Athleten, die hier am Start waren, liest sich wie das Who’s who der Sportart. Adere, Ashford, Breuer, Defar, Devers, Drechsler, Henkel, Issinbajewa, Kostadinova, Mutola, Ottey und Vlasic bei den Frauen; Baumann, Christie, Everett, Gebrselassie, Greene, El Guerrouj, Johnson, Lewis, Kipketer und Liu Xiang bei den Männern – das Stuttgarter Meeting hat fast alle Weltstars der Leichtathletik angelockt.
Die Erfolgsstory ist eng verknüpft mit den beiden Sportdirektoren Fredy Schäfer (1987 bis 2006) und Alain Blondel (2007-2011). Doch der 2017 im Alter von 84 Jahren verstorbene Schäfer hat das Meeting zu dem gemacht, was es geworden ist, eben das weltbeste Hallensportfest. In seinem Buch standen sie alle drin, die Athleten, Trainer, Manager-Kontakte, und immer wenn er vom Rhein an den Neckar kam hatte er viel zu erzählen aus der Welt der Leichtathletik.
Fast jeder der zehn Weltrekorde hat seine eigene Geschichte. So ließ Fredy Schäfer zum Beispiel den Amerikaner Danny Everett 1990 über 400 Meter entgegen der Bestimmungen komplett in Bahnen zum Weltrekord (45,05 Sekunden) laufen – und der Offizielle der IAAF versagte dem Rekord genau deshalb die Anerkennung. Weil Everett dennoch die Rekordprämie (einen Mercedes) mitnehmen durfte, lieferte er den Weltrekord (45,02 Sek.) mit zwei Jahren Verspätung nach.
„Der absolute Höhepunkt war für mich aber der Weltrekord von Hicham El Guerouj über 1500 Meter während des Ramadans mit leerem Magen“, schwärmte Fredy Schäfer immer vom Auftritt des Algeriers 1997.
Ein deutscher Läufer sorgte 1995 „mehr so aus Versehen“ für eine Sensation. Nico Motchebon entriss dem Ausnahmeläufer und heutigem World Athletics-Präsident Sebastian Coe in einem furiosen 800 Meter-Rennen mit 1:44,88 Minuten den Europarekord und blieb nur vier Hundertstel über dem Weltrekord von Paul Ereng. „Ich hatte eigentlich nur den Deutschen Rekord im Visier“, erinnerte sich Motchebon an seinen Karrierehöhepunkt, der bis heute als Deutscher Rekord geblieben ist.
Die ganz große Aura schwebte in Person des IAAF-„Jahrhundertathleten“ und neunmaligen Olympiasiegers Carl Lewis in die Schleyerhalle. „Da verkauften wir gleich 1500 Karten am Tag, nachdem sein Auftritt bekannt wurde“, erinnert sich Andreas Kroll von der Veranstaltungsgesellschaft in.Stuttgart. Dabei bewegte sich Lewis im Vorfeld der WM 1993 auch in Stuttgart in seiner eigenen Sphäre. Mit seinem Clan zog Lewis in ein Luxushotel und nicht in die übliche Meetingunterkunft. Erst als Schäfer ihn als Selbstzahler einstufte, zog der Clan um. Lewis gewann die 200 Meter, verlor aber den Weitsprung gegen den Lokalmatadoren Dietmar Haaf, den die Fans frenetisch feierten.
Allein mit der guten Stimmung hätten sich die exzellenten Teilnehmerfelder über 25 Jahre aber nicht auf die Beine stellen lassen. Der Etat des Meetings lag bei rund einer Million Euro. Es war eine Investition in den Weltsport, das Image der Sportstadt Stuttgrt, aber auch in den regionalen Sport. Bis zu 25 000 Dollar mussten zuweilen als Startgeld hingelegt werden, um die Stars nach Stuttgart zu holen. Das ist wegen der Treue des Hauptsponsors Sparkasse seit 1987 immer gelungen – es war der Erfolgsgarant für die Veranstaltung.
Überraschender Weise war aber nicht etwa Lewis oder Jonson oder Gebrsekassie der teuerste Athlet des S-Cups, wie Schäfer klarstellte – sondern Dieter Baumann. „Nach seinem Olympiasieg 1992 war die Euphorie groß, jeder wollte ihn hier in Stuttgart sehen.“ Beim 3000-Meter-Laufs des Tübingers stand die Halle kopf und Baumanns Mutter durfte die Siegerehrung vornehmen. Es waren Zeiten nicht nur schwäbischer Glückseligkeit.
Alain Blondel: "Für mich schloss sich ein Kreis"
Alain Blondel, Zehnkampf-Europameister von 1994 in Helsinki, übernahm 2007 die sportliche Leitung des Sparkassen Cups von seinem Vorgänger Freddy Schäfer. 5 Jahre lang füllte er die Stuttgarter Schleyerhalle und schaut heute noch gerne auf diese Zeit zurück, wie er im Interview erzählte.
Herr Blondel, Sie waren 2007 bis 2011 Meeting-Direktor des Sparkassen Cups. Wie kam es dazu?
Für mich kam die Anfrage schon ein bisschen überraschend, weil Freddy für mich damals der Macher des Sparkassen Cups war und heute noch ist und ich als Nachfolger von ihm gesehen wurde. Die Leute von in.stuttgart, Rolf Schneider und Andreas Knoll, sind Mitte 2006 auf mich zugekommen. Es gab eine Absprache mit der Sparkasse und ich war anscheinend der erste Kandidat auf der Wunschliste. Wir haben ein gutes Gespräch geführt und haben uns sehr schnell einigen können. Das einzige, was für mich wichtig war, war die Leute in Karlsruhe zu informieren. Dort hatte ich einfach schon einiges auf die Beine gebracht und wollte das nicht aufgeben. Nachdem das von beiden Seiten gut aufgenommen war, stand meinem Start in Stuttgart nichts mehr im Weg.
Von Freddy Schäfer habe ich so viel gelernt! Wir haben immer gute Gespräche gehabt, und es war sehr interessant mit ihm zu arbeiten. Als er Meeting Direktor war, war ich noch Athletenmanager, war also eher Kunde von Freddy und habe von der anderen Seite her mit ihm zusammengearbeitet. Ich denke, das ist auch, was ich an Erfahrung in die Organisation des Sparkassen Cups mitgebracht habe: meine Vergangenheit als Athlet und auch als Trainer und auch als Manager. Ich wurde nicht nur als Meetingveranstalter gesehen, sondern mehr als Teil der Familie.
Was waren Ihre persönlichen und organisatorischen Highlights?
Mein persönliches Highlight war gleich bei meinem ersten Sparkassen Cup 2007 mit dem Weltrekord von Meseret Defar über 3.000 Meter [8:23,72 min]. Das war auf so einem starken Niveau, das hätte ich nie erwartet. Das war wirklich unglaublich. Das war so eine tolle Premiere für mich, dass es danach schwierig war, noch besser zu werden.
Aus organisatorischer Sicht haben mich immer die 7.000 Zuschauer in der Halle, die immer wieder mit gebebt haben und mithelfen wollten, beeindruckt. in.stuttgart [Stuttgarts Veranstaltungsgesellschaft] hat das super organisiert und man musste gar nicht viel machen, um die Halle voll zu bekommen. Das hat für mich einen Kreis geschlossen: zurückzukommen nach Stuttgart und die Erlebnisse, die ich 1986 bei der EM und 1993 bei der WM als Athlet hatte, wieder zu erleben.
Ich wollte auch etwas zurückzugeben von dem, was ich von den Zuschauern bekommen hatte. Das war für mich als Athlet einmalig bei der EM 1986. Es war für mich damals ein Schock im positiven Sinne, schon um 10 Uhr morgens im Stadion mehr als 30.000 Zuschauer zu erleben. 20 Jahre später hatte ich dann die Möglichkeit, dem Publikum das zurück zu schenken, was es mir gegeben hatte. Deshalb wollte ich das möglichst beste Athletenfeld zusammenzubringen, Stimmung, Spaß und Animation verbreiten, damit die Leute Lust haben, mitzufeiern. Das war meine Motivation, und das ist, was mir von den 5 Jahren bis 2011 bleibt. Das war wirklich unglaublich.
Wann organisieren Sie das nächste große Meeting nach Stuttgart?
Darauf warte ich seit 10 Jahren. Die Absage des Sparkassen Cups war eine politische Entscheidung, und ich glaube, das war traurig für alle. Nicht nur für die Mitwirkenden, sondern auch für alle, die irgendwie dabei waren. Das ist schwer zu ändern und zu toppen. Es gab kein Äquivalent. Beim Sparkassen Cup und auch beim Meeting in Karlsruhe waren wir die einzigen, die in der Region jedes Jahr ein Sporthighlight organisiert haben. Für mich ist das nicht zu toppen. Das ist die Schwierigkeit, ein Meeting auf diesem Niveau zu organisieren. Gerade in Stuttgart mit seiner Geschichte mit EM und WM wäre es aber schön, wenn es wieder so ein Meeting gäbe.
IHS: Leichtathletik-Sternstunden im Sindelfinger Glaspalast
Die 100-jährige Geschichte der Sindelfinger Leichtathletik ist gespickt mit Namen, sportlichen Erfolgen und organisatorischen Highlights. Ein Ereignis überstrahlt die Historie: das Internationalen Hallensportfest (IHS) im Glaspalast strahlte von 1979 bis 2002 in die nationale und internationale Leichtathletik-Welt hinaus.
Meetingmacher Herbert Bohr gelang es, Leichtathletik auf Weltniveau zu präsentieren. Weltstars wie Colin Jackson, Merlene Ottey, Javier Sotomayor, Haile Gebrselassie, Sergej Bubka, Linford Christie, Thomas Schönlebe, Heike Henkel oder Heike Drechsler gaben sich im Glaspalast die Klinke in die Hand. Sieben Weltrekorde wurden beim IHS erzielt, dazu nationale Rekorde. Das IHS war ein Zuschauermagnet in der Leichtathletikszene.
Die schnelle Bahn im Glaspalast, die außergewöhnliche Atmosphäre durch die engen Verhältnisse in der Halle, waren für die Athleten extrem leistungsfördernd. Merlene Ottey, charismatische Sprinterin aus Jamaika, musste überzeugt werden, „dass sie auf Bahn vier und nicht auf drei laufen sollte“, erinnert sich Manager Robert Dinkelacker. Ottey lieferte dann mit 22,24 Sek. über 200 Meter einen Weltrekord ab und sorgte mit ihrem Doppelsieg über 60 Meter in 6,99 Sek. für Ottey-Festspiele.
4.500 Zuschauer wollten 1988 Weltrekordler Ben Johnson (Kanada) und seine Show auf und neben der Bahn sehen. Seine 6,45 Sek. wurden ein Jahr später aus den Rekordlisten verbannt, weil Johnson im folgenden Sommer bei den Olympischen Spielen in Seoul als Sieger des Duells mit Carl Lewis des Dopings überführt wurde. Nach einem Comeback tauchte er 1991 erneut im Glaspalast auf, wurde nach einem erneuten Dopingfall 1993 aber lebenslang gesperrt.
Thomas Schönlebe (ehemalige DDR) krönte das IHS 1988 mit seinem Weltrekord über 400 Meter in 45,05 Sekunden, der noch heute als Europarekord geführt wird. „Ich war professionell vorbereitet, kam aus dem Trainingslager in Mexiko“, erinnert sich Schönlebe“, am Ende lief ich mit 45,05 Sekunden Hallen-Weltrekord – dies hätte ich nicht für möglich gehalten“. „Als Weltrekord-Prämie habe ich von Herbert Bohr eine Video-Kamera erhalten“. Und Bohr sagt im Rückblick: „Dieser erste Weltrekord in unserem Meeting war für mich sehr emotional“.
Der Etat zum Auftakt des IHS 1979 lag bei rund 40 000 Mark. „Wir hatten damals für nicht wenige Athleten sogar noch Startgeld verlangt“, erinnert sich Bohr an die Anfänge des Meetings. In den 90er Jahren wurde der Titel des IHS auf Volksbank-Grand-Prix umbenannt. Der Etat stieg auf 300.000 D-Mark.
Colin Jackson sorgte für den vielleicht größte Tag in der IHS-Geschichte. Am 6. März 1994 lief der Brite 7,30 Sek über 60 Meter Hürden – ein Weltrekord, der von fast 5.000 Zuschauern bejubelt wurde und den erst 27 Jahre später der Amerikaner Grant Holloway im Februar 2021 um eine Hundertstel auf 7,29 Sek. verbesserte.
1996 gab es einen begeisterten Auftritt des Ausnahmeläufers Haile Gebrselassie (Äthiopien). Bei seinem ersten Hallenstart überhaupt lief er über 5.000 Meter in 13:10.98 Minuten Weltrekord – und der Glaspalast tobte.
1998 hieß das Motto im Glaspalast „Internationaler Frauentag“. Die Stabhochspringerinnen Stacy Dragila (USA) und Daniela Bartova (Tschechien) verbesserten beide den Weltrekord auf 4,48 Meter. Die Rumänin Gabriela Szabo lief über 2.000 Meter im erneut vollen Glaspalst eine Weltbestzeit. Der Etat war auf 550.000 D-Mark geklettert, das IHS weltweit auf Rang fünf angekommen. Hochsprung-Legende Javier Sotomayor sprang im Glaspalast, Olympiasieger Donavan Bayley sprintete hier, und und und: das Who is who der Leichtathletik war hier zu Gast.
Neben den internationalen Stars fanden auch einige der deutschen Aushängeschilder den Weg nach Sindelfingen. Heike Drechsler, Doppel-Olympiasiegerin, sprang 1994 im Weitsprung überragende 7,19 Meter und Heike Henkel, Olympiasiegerin, glänzte 1992 im Glaspalast mit herausragenden 2,04 Meter im Hochsprung. Ein Rekordfestival lieferte Ulrike Sarvari vom VfL Sindelfingen bereits 1988 ab. Die Doppel-Europameisterin von Glasgow über 60 und 200 Meter brachte das Kunststück fertig, beim IHS binnen dreieinhalb Stunden den deutschen Rekord von Olympiasiegerin Annegret Richter (Dortmund) über 60 Meter gleich dreimal zu unterbieten. 7,18, 7,15 und 7,13 Sekunden lieferte die Lokalmatadorin ab.
„Ich habe größten Respekt vor der Leistung von Herbert Bohr“ lobt Werner Späth, seit 1970 beim VfL Sindelfingen als Sprinttrainer tätig und bei allen 24 IHS dabei, das Werk von Bohr. „Dieses Event war einfach großartig“, sagt Späth.
Noch heute lacht man in Sindelfingen verschmitzt darüber, dass der 35-fache Stabhochsprung-Weltrekordler Sergey Bubka für lächerliche 2.000 Mark beim IHS startete. Der Grund: Bubka wurde eigentlich nach Stuttgart für den Sparkassencup verpflichtet, eine Trainingseinheit führte den Überflieger in den Glaspalast und ins Starterfeld beim IHS.
Um die Jahrtausendwende waren die Besucherzahlen zurückgegangen, die Terminfindung im März war schwierig geworden. Bohr musste finanziell den Gürtel enger schnallen. Das Programm wurde reduziert, der Schwerpunkt lag „nur“ noch auf Sprungwettbewerben. Christian Adams (Leverkusen) sprang 2002 mit 4,66 Meter Deutschen Rekord im Stabhochsprung, Jeff Hartwig (USA) lieferte mit 6,02 Meter eine letzte Weltklasseleistung ab. Da waren noch 1.000 Zuschauer im Glaspalast.
„Der Terminkalender gab am Ende nichts mehr her für uns und wir haben die IHS-Geschichte 2003 beendet“, erinnert sich Bohr mit Wehmut an diese glanzvolle Zeit.
Hochsprungmeeting Balingen: Höhenflüge unterm Hohenzollern
Im Februar 1994 hatte die Sportwelt ihre Blicke auf die Olympischen Spiele in Lillehammer (Norwegen) gerichtet. Am Sonntagnachmittag des 12. Februars unterbrach das norwegische Fernsehen plötzlich die Berichterstattung über den Wintersport mit einer bemerkenswerten News: „Heute Nachmittag hat der norwegische Hochspringer Steinar Hoen in Balingen (Deutschland) den Landesrekord auf 2,36 Meter verbessert“.
Das 34.000 Einwohner-Städtchen am Fuß der Schwäbischen Alb hat in dieser Zeit des Öfteren sportliche Erdbeben erlebt. Der Grund: von 1989 bis 2000 fand in einer Schulsporthalle eines der weltbesten Hallenmeetings statt. Die Siegerliste liest sich wie das who is who des Hochsprungs: Ralf Sonn (Weinheim), Athur Partyka (Polen), Tim Forsyth (Australien), Steve Smith (Großbritannien), Wjateschlaw Woronin (Russland) und eben jener Steinar Hoen.
Angefangen hatte es 1989 als Meeting der besten württembergischen Hochspringer zu denen auch die Balinger Andrè und Roger Pohl gehörten. Vater Josef Pohl war mit Landestrainer und Eberstadt-Macher Peter Schramm befreundet. Aus dieser Freundschaft entstanden neben den Flugtagen in den Eberstädter Weinbergen die Höhenflüge unterm Hohenzollern.
Schnell bekam das Meeting das Prädikat „Weltklasse“, denn bald flogen die Hochspringer in Serie über 2.30 Meter Familiärer Anschluss der Athleten mit den Organisatoren war auch in Balingen die Basis. Schramm moderierte am Mikrofon, Günter Eisinger (Frankfurt) nutzte auch für das Balinger Meeting seine Kontakte in die Hochsprung-Szene. Olympiasieger Charles Austin startete sechsmal in Balingen. „Er gehörte schon fast zu unserer Familie“, erinnert sich Josef Pohl an die engen Bindungen. Als der Pole Partyka bei Disco-Musik mit 2.37 Meter den Meetingrekord aufstellte, waren die 1.500 Besucher in der kleinen Halle aus dem Häuschen, die Stimmung brodelte, der Hohenzollern schien zu wackeln. Weil sechs Springer jenseits der magischen 2.30 Meter die Latte überquerten, schrieb die Fachzeitung „Leichtathletik“ von einer „kleinen Weltmeisterschaft“.
Am Ende musste Meetingmacher Josef Pohl 200.000 D-Mark für das Spektakel an der Hochsprungmatte zusammentragen. Allein ein Athlet fehlte in Balingen: Javier Sotomayor, Olympiasieger und Weltrekordler. Der kubanische Überflieger war immerhin als Zuschauer in der Längenfeldhalle. „Als Springer in der Konkurrenz hätte Sotomayor unseren Etat gesprengt“, gesteht Josef Pohl noch heute.
Zwölfmal fand Weltklasse-Hochsprung unterm Hohenzollern statt. Zu einem beträchtlichen Teil war der Hochspring in Balingen eine familiäre Angelegenheit: Josef Pohl, seine Ehefrau und die drei Kinder trugen einen großen Teil der Organisation und Verantwortung.
Balingen wurde zum Eberstadt in der Halle. Der Aufwand für die Organisatoren war enorm. Das Ende kam, als die Athleten Brutto für Netto und damit die finanzielle Situation nicht mehr zu stemmen war.
Das Balinger Hochsprungmeeting verschwand 2001 aus dem Kalender, die Schlagzeilen sind geblieben. Als der Balinger Zehnkämpfer Sepp Hipp 1952 zu den Olympischen Spielen geschickt wurde, schrieb der Sportkurier: „Balingen, kleine Stadt mit großen Sportlern“. 40 Jahre später traf diese Schlagzeile erneut zu. Aber auch sie ist Geschichte.
Hallenweltrekorde bei den Meetings in Württemberg
IHS Sindelfingen
05.02.1988 | 400 m | Thomas Schönlebe | GDR | 45,05 Sekunden |
03.03.1991 | 200 m | Merlene Ottey | JAM | 22,24 Sekunden |
06.03.1994 | 60 m Hürden | Colin Jackson | GBR | 7,30 Sekunden |
27.01.1996 | 5.000 m | Haile Gebrselassie | ETH | 13:10,98 Minuten |
01.03.1997 | Dreisprung | Aliecer Urrutia | CUB | 17,83 Meter |
08.03.1998 | Stabhochsprung | Daniela Bártová | CZE | 4,48 Meter |
08.03.1998 | Stabhochsprung | Stacy Dragila | USA | 4,48 Meter |
S-Cup Stuttgart
10.02.1991 | 5.000 Meter | Uta Pippig | GER | 15:13,72 Minuten |
02.02.1992 | 400 Meter | Danny Everett | USA | 45,02 Sekunden |
04.02.1996 | 3.000 Meter | Haile Gebrselassie | ETH | 7:30,72 Minuten |
02.02.1997 | 1.500 Meter | Hicham el Guerrouj | MAR | 3:31,18 Minuten |
01.02.1998 | 60 Meter | Maurice Greene | USA | 6,41 Sekunden |
06.02.2000 | 1.000 Meter | Wilson Kipketer | DEN | 2:15,25 Minuten |
03.02.2002 | Stabhcohsprung | Svetlana Feofanova | RUS | 4,71 Meter |
03.02.2002 | 3.000 Meter | Berhane Adere | ETH | 8:29,15 Minuten |
31.01.2004 | 5.000 Meter | Berhane Adere | ETH | 14:39,29 Minuten |
03.02.2007 | 3.000 Meter | Meseret Defar | ETH | 8:23,72 Minuten |