Mein Moment: Vom Kugelstoßer zum „City-Manager“
  20.09.2021 •     WLV , Bildung


In der Serie MEIN MOMENT kommt in jeder Woche eine Person zu Wort, die im vergangenen Vierteljahrhundert einen besonderen sportlichen Moment erlebt hat. In der 38. Folge geht es um den erfolgreichen Kugelstoßer Sven-Eric Hahn, der seit April 2019 als „City-Manager“ der City-Initiative Stuttgart fungiert.

Wie und warum wird ein Journalist City-Manager? In meiner journalistischen Laufbahn bearbeitete ich schon früh die Themenschwerpunkte Stadtentwicklung, Wohnen, Immobilien und Einzelhandel und wie sie zusammenhängen, habe gute Einblicke darin bekommen, wie die Stadt funktioniert, und wer politisch welche Interessen verfolgt, und kannte dadurch auch viele der handelnden Personen. Irgendwann sprach mich jemand an, ob die Position „City-Manager“ für mich nicht interessant sein könnte. Die Vorstellung, bei dieser Aufgabe freie Hand zu haben, war für mich sehr reizvoll und hat, heute im Rückblick, wahnsinnig gut zu mir gepasst. Ich bewarb mich, durchlief mehrere Vorstellungsrunden – und bekam den Job! Nun bin ich also seit April 2019 im Amt, und für mich war dieser Berufswechsel eine ganz tolle Entscheidung, denn die Arbeit macht mir wahnsinnig viel Freude.

Die City-Initiative Stuttgart e.V. (CIS) wurde am 14. April 1999 von einigen vorausschauenden Akteuren gegründet. Neben Akteuren aus der Politik und der Verwaltung zählten zu den „Vordenkern“ über die Perspektive der Stuttgarter City unter anderem Repräsentanten der großen Kaufhäuser, Vertreter der IHK und des Hotel- und Gaststättenverbandes sowie der Landesbank. Sie suchten nach Wegen, die stagnierenden Handelsumsätze zu steigern und gleichzeitig die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt zu verbessern. Es war ihnen schnell klar, dass nur ein branchenübergreifender Verein etwas erreichen könnte.

Heute ist die CIS die Interessensvertretung für alle Gewerbebetriebe in der City, und der Verein arbeitet mit drei Hauptamtlichen – Holger Siegle (Projektmanager Events und Sonderprojekte), Elke Förch (Assistenz Citymanagement) und mir (City-Manager und Geschäftsführer) – sowie zahlreichen Praktikanten, Dienstleistern und Agenturen daran, die Stuttgarter City im Wettbewerb zu anderen Städten positiv zu positionieren und ein gutes Umfeld für alle ansässigen Betriebe zu schaffen. Wir vertreten deren Interessen gegenüber der Politik, der Stadtverwaltung und den Medien und setzen uns dafür ein, dass sich die Sauberkeit und Sicherheit in der Innenstadt verbessert.

Vertrauensvolle Teamarbeit

Wir sind also ein riesig großes Team, haben zum fünfköpfigen Vorstand – Ulrich Schwer, Christoph Achenbach, Bernd Gehrung, Markus Linha und Ulrich Wölfer – und dem Beirat, dem 23 Frauen und Männer in führenden Positionen renommierter Institutionen angehören, ein tolles Verhältnis. Strategische Entscheidungen werden meist gemeinsam gefällt, und es besteht ein enges, vertrauensvolles Verhältnis untereinander, ziehen wir doch alle an einem Strang. Die CIS sorgt beispielsweise mit ihren beliebten und attraktiven, stimmungsvollen und in der Region einzigartigen Veranstaltungen für die Erhöhung der Attraktivität und Zentralität Stuttgarts als Einkaufs- und Erlebnisstadt, verbessert zudem die Aufenthaltsqualität in der Stadt, spricht neue Käufergruppen an und steigert die Kundenfrequenz.

Diese Maßnahmen kommen wiederum allen zugute. Die City-Events sind zum Beispiel lange Einkaufsnächte, wie „Stuttgart leuchtet“ mit Licht-, Laser-, und Musikshows auf dem Schlossplatz, verlängerte Öffnungszeiten der Geschäfte, das zweitägige Kinder- und Jugendfestival in Zusammenarbeit mit dem Sportkreis Stuttgart und der Agentur KMR oder die „Lange Marktnacht“. Sie sind attraktive Eckpfeiler im Veranstaltungskalender der Stadt und begeistern zwischen 150.000 bis 250.000 Menschen.

Mitgliederzahl steigt

In der Gründungszeit hatte die CIS etwa 200 Mitglieder; diese Zahl sank dann im Laufe der Jahre leider deutlich. Heute zählen wir stolze 230 bis 240 Mitgliedsbetriebe – Tendenz steigend. Daher spielt die City-Initiative Stuttgart wirtschaftlich, gesellschaftlich und auch politisch eine wichtige Rolle in der Landeshauptstadt und hat sich als „Sprachrohr der City“ etabliert. Finanziert wird der Verein überwiegend durch Mitgliedsbeiträge, einem städtischen Zuschuss und Sponsorengeldern.

Wir sitzen in der Innenstadt alle im selben Boot, denn ohne Händler, ohne Gastronomen und Dienstleister funktioniert doch auch Kultur in der Stadt nicht. Es schafft keiner alleine, es gibt viel mehr gemeinsame Interessen als trennende. Dieses Bewusstsein will ich schärfen. Ich will keine tote Innenstadt, und so ist jeder, der eine lebendige Innenstadt zum Ziel hat, unser Verbündeter. Denn wir brauchen und wollen alle das Gleiche: Wir dürfen hier nicht nur Stadtentwicklung für etwas mehr als 600.000 Stuttgarter betreiben. Wir müssen über den Tellerrand hinausschauen. Stuttgart ist das Zentrum einer Region mit knapp drei Millionen Menschen. Und von diesen Menschen leben viele Betriebe in der Innenstadt. Sie kommen aber nicht wegen eines einzigen Angebots in die Stadt, sondern wegen der Mischung und Breite des Angebots. Also dürfen wir auch nicht nur für 600.000 Stuttgarter Stadtplanung betreiben, wir müssen es für alle möglichst einfach machen, zu uns zu kommen.

Sportliche Jugend mit schnellen Erfolgen

Während meiner Schulzeit am Wirtemberg-Gymnasium in Stuttgart-Untertürkheim, einer Eliteschule des Sports, befasste ich mich natürlich noch nicht mit diesen komplexen Themen. Vielmehr trieb ich von frühester Jugend an viel Sport und probierte einige Sportarten aus. Ich spielte Fußball, Tennis und Basketball, und mit 13 Jahren begann ich beim MTV Stuttgart mit Leichtathletik, wie es sich gehört, mit dem Mehrkampf. Mein damaliger Trainer Ioannis Sialis, Doktor der Sportwissenschaften und heute Analysetrainer am Olympiastützpunkt Stuttgart, erkannte dann, dass ich eher der schnellkräftige Typ werden würde, so dass ich mich auf Kugelstoßen und Diskuswerfen konzentrierte. Diese Entscheidung trug bald Früchte, denn in der Jugend U18 und U20 gewann ich zahlreiche Titel bei nationalen Titelkämpfen. Bei den Deutschen Jugend-Hallenmeisterschaften 1999 in Halle/Saale holte ich mir beispielsweise den Titel im Kugelstoßen mit der deutschen Jahresbestleistung für die Jugend (17,21 m). Mit dem Diskus lag ich lange auf dem vierten Platz, ehe die Scheibe im letzten Versuch auf 53,36 Meter flog und ich hinter dem Frankfurter Heinrich Seitz Silber holte. Diese Erfolge brachten mir die Nominierung in die Jugend-Nationalmannschaft.

Nach dem Abi am Wirtemberg-Gymnasium begann ich an der Universität Stuttgart ein Studium der Amerikanistik und der Germanistik. 2004/2005 erhielt ich ein Sportstipendium in Blacksburg, einer Stadt an der Ostküste der USA, im Montgomery County (Bundesstaat Virginia) mit rund 45.000 Einwohnern, zirka 60 Prozent von ihnen sind Studierende. Sie ist Standort der im Jahre 1872 gegründeten Hochschule Virginia Polytechnic Institute and State University, besser bekannt als Virginia Tech. Das Stadion fasst knapp 80.000 Zuschauer und ist eine der Arenen mit der besten Atmosphäre in den USA. 2009 beendete ich mein Studium und legte meine Magisterarbeit in Amerikanistik und Germanistik ab.

Volontariat bei den Stuttgarter Nachrichten

Anschließend begann ich ein Volontariat bei den Stuttgarter Nachrichten, nachdem mich eine Journalistenlaufbahn durch verschiedene Praktika in ihren Bann gezogen hatte. Danach arbeitete ich in einer Außenredaktion der Stuttgarter Zeitung (2012), später dann in der Zentrale der Stuttgarter Zeitung, wo ich mich intensiv mit großen Einkaufszentren und den hohen Mieten in der Stadt beschäftigte. Schließlich wurde ich, wieder bei den Stuttgarter Nachrichten, Titelredakteur.

Bereits 2008 hatte ich meine Sportkarriere beendet, zuletzt (2006 bis 2008) startete ich für den VfL Sindelfingen. Meine Bestleistungen stehen mit der Kugel bei einer Weite von 19,55 m, mit dem Diskus bei 57,76 m. Ich nahm in meiner aktiven Zeit an zwei Universiaden teil, den Weltspielen der Studenten: 2003 in Daegu (Südkorea/Platz 10 mit der Kugel) und 2007 in Bangkok (Thailand), wo ich Sechster im Kugelstoßen wurde. 2007 in Köln holte ich den Titel Deutscher Hochschulmeister im Kugelstoßen. Bei Deutschen Meisterschaften gewann ich mit der Kugel zwei Bronzemedaillen, 2007 in Leipzig (in der Halle) und 2008 in Nürnberg.

Deutscher Meister nach Regenpause

Dies war auch mein besonderer Moment: Unser Wettbewerb begann im Stadion, doch dann erzwang ein verheerender Wolkenbruch eine lange Unterbrechung, was vor allem uns Athleten mit der Drehstoßtechnik recht war. Der Ring im Stadion war durch den Regen einfach katastrophal und das Verletzungsrisiko sehr groß. Drei Stunden lang haben wir uns nur blöd angeguckt, dann ging es auf einem Nebenplatz weiter. Ich wurde schließlich mit persönlicher Bestleistung (19,55 m) Dritter hinter Ralf Bartels (SC Neubrandenburg/20,60 m) und Peter Sack (LAZ Leipzig/20,41 m). Das war ein schönes Erlebnis – nicht zuletzt auch wegen der besonderen Umstände!

Ich wohne mit meiner Familie – Frau und zwei Söhnen (5 und 10) – in Stuttgart. Ich selbst habe als Hobby das Radfahren entdeckt und bin in diesem Jahr zum zweiten Mal die „Swiss Cycling Alpenbrevet“, die höchste Rundfahrt Europas über die schönsten Pässe der Schweiz auf malerischen, aber anspruchsvollen Strecken gefahren – und durchgekommen, nach 9:51:05 Stunden! Aber meine wichtigste Beschäftigung und Aufgabe ist die Familie, und das mit voller Überzeugung!


Sven-Eric Hahn ist in Stuttgart geboren, verheiratet, hat zwei Söhne und wohnt in Stuttgart. Er studierte Amerikanistik und Germanistik in Stuttgart sowie in den USA und schloss 2008 mit dem Magister ab. Er gehörte über viele Jahre zu den besten Leichtathleten Deutschlands, im Kugelstoßen und Diskuswerfen war er Teil der Nationalmannschaft, mehrfacher Medaillengewinner bei Deutschen Meisterschaften und Finalteilnehmer bei Europameisterschaften, Weltmeisterschaften und zwei Universiaden der Studenten, 2013 in Daegu (Südkorea) sowie 2007 in Bangkok (Thailand). Bereits seit 2008 arbeitete er als Praktikant, volontierte bei den Stuttgarter Nachrichten und war bei der Stuttgarter Zeitung als Journalist tätig, unter anderem auf den Spezialgebieten Stadtentwicklung, Immobilien, Einzelhandel und Wohnen. Ab 2016 war er Titelautor – erneut bei den Stuttgarter Nachrichten. Seit April 2019 leitet Sven-Eric Hahn als „City-Manager“ die City-Initiative Stuttgart (CIS).


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